Rezensionen / Presse zu «Bunker - Die letzten Tage»



Friedrich Detlef, "Berliner Zeitung", 28. März 2003

Stopfgans aus Beton

Mehr als tausend bombensichere Luftschutzanlagen soll es zwischen 1935 und 1945 in der Reichshauptstadt Berlin gegeben haben. Zwei Hochbunker aus Beton sind im heutigen Stadtbild unübersehbar, in der Reinhardtstraße in Mitte und in der Pallasstraße in Schöneberg, da wo der "Sportpalast" stand. Über den Schöneberger Bunker ist der "Sozialpalast" gebaut worden, eine Beseitigung der Ruine war zu aufwendig, die Sprengladung dafür schwer kalkulierbar. Achtzig Prozent der Berliner Bunker wurden bei "Entmilitarisierung Deutschlands" von den Alliierten gesprengt. Es hätten "wahre Sprenorgien" stattgefunden, bemerkt Dietmar Arnold vom Verein "Berliner Unterwelten", der in dem Dokumentarfilm "Bunker - Die letzten Tage" durch Parks, Wälder und Einöden führt, in unteridische Stollen taucht, um uns die Reste zu zeigen.

Diese Dokumentation hätte ein grandioser Film über Berlin im Zweiten Weltkrieg werden können, über ein Berlin, auf das nur Erdreich geschüttet ist. Leider gaben sich die Macher nicht der Anstrengung hin, das sehenswerte Filmmaterial (Kamera: Frieder Salm) und die historischen Aufnahmen aus verschiedenen Archiven so zusammenzuführen, dass der Zuschauer wüsste, wo in welchem der unterirdischen Keller und in welcher Zeit er sich gerade befindet. Grauen erregende Bilder von den einströmenden Wassermassen des gesprengten Landwehrkanals in die menschenvollen S- und U-Bahn-Schächte werden im Ton von heute aufgenommenen Zeitzeugeninterviews begleitet. Man ist mit den Bildern beschäftigt. Dazu dröhnt eine apokalyptische Gefühlsmusik dem an Erkenntnis interessierten Zuschauer derart ins Gehirn, dass ihm schwant, dieser Film ist vielleicht für Zuschauer ohne Kopf gedacht. Sein Herstellungsprinzip war: Alles rein in die Stopfgans, von vielem Fett wird jeder satt. Einerseits stellt der Film alte Fotos mit heutigen Darstellern nach, andererseits verwendet er Spielfilmszenen aus der Nachkriegszeit. Wenn Adolf Hilter und Eva Braun sich in einer Mosfilmproduktion von 1947 verklemmt gerieren wie einer sowjetischen Aufführung der "Dreigroschenoper", ist das heute vielleicht ästhetisch, gewiss nicht zeitgeschichtlich interessant. Die Filmemacher müssen selbst Zweifel an ihrem Werkchen gehabt haben, wenn sie verlautbaren: "Dokumentarisches, fiktives, nachgestelltes und propagandistisches Filmaterial werden zu einer vielschichtigen Collage."

Die Zeit der Collagen über das Dritte Reich ist einfach vorbei.

Arte Programminfo anlässlich der Ausstrahlung vom 7. Juni 2004

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges war das Berliner Bunkerlabyrinth Schauplatz eines verzweifelten Überlebenskampfes. Von den mehr als 1.000 Schutzanlagen ist heute nur noch ein Bruchteil vorhanden. Die Filmemacher Martina Reuter und Gavin Hodge haben sich gemeinsam mit dem Kameramann Frieder Salm in der Berliner Unterwelt umgesehen und faszinierendes Filmmaterial zu Tage gefördert. Darunter beeindruckende Unterwasseraufnahmen im Adlonbunker sowie einzigartige Bilder des Speerbunkers vor seiner Sprengung 1996.

Gut 40 Prozent der Bauwerke der Berliner Innenstadt liegen im Untergrund. In den letzten Tagen des Dritten Reiches waren sie Schauplätze eines verzweifelten Überlebenskampfes - faszinierende Aufnahmen der alten Anlagen, Zeitzeugenberichte und Archivmaterial legen Zeugnis davon ab. Von den insgesamt mehr als 1.000 bombensicheren Schutzanlagen, die zwischen 1935 und 1945 in der damaligen Reichshauptstadt gebaut wurden, ist heute nur noch ein Bruchteil vorhanden - und es werden ständig weniger. Zwischen 1940 und 1942 wurden über 400 meist genormte Bunkertypen überall in der Stadt errichtet. Teilweise ineinandergreifende und in ihrer Vielzahl verwirrende Sonderbauprogramme machen es zuweilen schwer, den Überblick über die genaue Anzahl der tatsächlich gebauten Anlagen zu behalten. Nach Kriegsende wurden im Rahmen der Entmilitarisierung Deutschlands von den Alliierten über 80 Prozent der Bunker- und Luftschutzanlagen zerstört. Vielleicht liegt die Ursache für die nirgendwo sonst so rigoros durchgeführten "Entfestigungsmaßnahmen" darin, dass sich in Berlin die Alliierten gegenseitig besser kontrollieren konnten als andernorts. Zu hoffen bleibt, dass die Bunker und ihre Geschichte für immer bleiben, was sie jetzt sind - Monumente zur Mahnung an hoffentlich nie wiederkehrende Ereignisse. 1990 wurde im Bereich der gerade gefallenen Berliner Mauer der SS-Fahrerbunker am Potsdamer Platz wiederentdeckt. Gavin Hodge war der erste Filmemacher, der in dieser in Vergessenheit geratenen Anlage einzigartige Bilder von den Fundstücken und den Wandmalereien drehen konnte. Der Bunker wurde zwei Tage später wieder verschlossen und mit Erde bedeckt.

Das kleine Extra

Martina Reuter arbeitet seit 1990 mit dem Kameramann Frieder Salm zusammen, der den Berliner Untergrund seit 1993 fotografiert. Die beeindruckenden Unterwasseraufnahmen im Adlonbunker, der ebenfalls nur zwei Tage geöffnet war, sowie die einmalige Begehung des Speerbunkers vor seiner Sprengung 1996 führten zu der Idee, das Berliner Bunkerlabyrinth filmisch zu dokumentieren. Martina Reuter und Gavin Hodge begegneten sich 1997 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. Gemeinsam entwickelten sie das erste Konzept für den Dokumentarfilm "Bunker - Die letzten Tage". Parallel zur Arbeit am Drehbuch sind sie immer wieder Hals über Kopf mit Frieder Salm in zufällig entdeckte Bunker eingestiegen, um die Räume in Bildern festzuhalten, bevor sie abgerissen oder zugeschüttet wurden. Dank der engen Zusammenarbeit mit dem Stadtplaner Dietmar Arnold, dem bekanntesten Bunkerforscher in Berlin, sind die einzigartigen Aufnahmen im unterirdischen Berlin möglich geworden. Dietmar Arnold führte im Auftrag des Berliner Senats Vermessungen im Untergrund durch und konnte somit Türen, Kanaldeckel oder Stahlgitter öffnen, die den meisten verschlossen bleiben. Er entdeckte bei seiner Arbeit unzählige Bunkeranlagen, von denen niemand mehr wusste. Nicht selten waren die Drehbedingungen äußerst schwierig. Entweder standen die Anlagen unter Wasser oder waren nur durch enge, manchmal gefährliche, metertiefe Einstiege zu erreichen. Die langjährigen Erfahrungen unter erschwerten Lichtbedingungen im Untergrund zu drehen, führten dazu, die beeindruckenden Anlagen nicht auf Video, sondern auf Film festzuhalten, um die faszinierenden Lichtstimmungen einzufangen, die man durch Video nicht wiedergeben kann.

Martina Reuter und Gavin Hodge erhielten beim Münchner Film Festival 2002 für "Bunker - Die letzten Tage" den Discovery Channel Award.

SIDE B