Rezensionen / Presse zu «Monday»



Anke Leweke

Amoklauf als Freizeitspass fürAngestellte: «Monday», eine wunderbar satirische Parabel des jungen japanischen Kultregisseurs Sabu

Killer mit Krawatte

In «D.A.N.G.A.N. Runner» jagen sich Jugendliche bis aufs Blut durch Tokio. In «Postman Blues» wird ein abgehackter Finger zur Antriebsfeder eines abgefahrenen Gangstermelodrams. Und «Monday», der neueste Amoklauf dieses eigenwilligen Regisseurs, nimmt seinen Anfang in einer Leichenschauhalle. Doch so rasant und exzentrisch sich das Kino des Japaners Sabu auch geben mag, die Action ist letztlich Mittel zum Zweck. Oder anders formuliert: Ein junger Regisseur nutzt eine moderne Filmsprache, um einem klassisch-japanischen Kinothema treu zu bleiben.

Kaum eine andere Kinematographie setzt sich so beharrlich und so kritisch mit der Gesellschaft auseinander, aus der sie kommt. Immer wieder zeigt das japanische Kino die Schizophrenie einer Kultur, die zerrissen ist zwischen einem hypermodernen Kapitalismus und zutiefst traditionellen Werten.
In den Filmen des zur Zeit renommiertesten japanischen Regisseurs Takeshi Kitano bilden Unterwelt und Yakuza eine Art Parallelgesellschaft, in der sich die Spannung zwischen ritualisierten Verhaltenscodes und dem Sozialdarwinismus der Konsumgesellschaft durch Gewaltexplosionen Luft macht. Gewalt und Tod als Symptome einer Gesellschaft, die an ihrem exzessiven Kapitalismus, an Korruption und Kriminalität zerbricht, sind spätestens seit Nagisa Oshima das wiederkehrende Sujet.

In den letzten Jahren hat ein junger Regisseur auf sich aufmerksam gemacht, der die Zustände in seiner Heimat mit distanziert-ironischem Blick angeht und der dafür in Japan inzwischen Kultstatus geniesst: Hiroyuki Tanaka, bekannt unter dem Pseudonym Sabu nach dem Namen einesYakuza-Gangsters, den er einmal spielte.
Immer wieder geht es Sabu um den Durchschnittsbürger, der sich plötzlich in Extremsituationen wiederfindet. In seinem Film «Postman Blues» untersuchte er die Kluft zwischen Unterwelt und kleinen Angestellten mit der Geschichte eines pflichtbewussten Postboten, der verzweifelt versucht, einem Yakuza seinen abgehackten kleinen Finger zuzustellen.

Jetzt in «Monday» ist es ein kleiner Angestellter, der eines Morgens in einem fremden Hotelzimmer erwacht und sich zunächst an nichts erinnert. Nach und nach tauchen Erinnerungsschnipsel auf. Zum Beispiel an eine Beerdigung. Mit deren todernst-satirischen Inszenierung bringt sie gleich alles auf den Punkt, was es zu Tradition und Moderne in Japan zu sagen gibt: Während dieTrauergäste andächtig kniend im Schweigen verharren, meldet sich per Handy der Arzt des Verstorbenen. Vor der Verbrennung des Leichnams sollten die Verwandten noch unbedingt den Herzschrittmacher aus der Brust des Toten herausschneiden.
Die makabre Operation inszeniert Sabu so spannend wie die Entschärfung einer Bombe und gibt mit dieser durchgedrehten Pointe den Ton für einen ebenso durchgedrehten Film an, in dem sich Yakuza-Gangster, schöne Frauen, Kleinkriminelle und Überfallkommandos die Klinke in die Hand geben. Nach und nach erinnert sich der Angestellte an weitere Erlebnisse, eines brutaler als das andere. Patronenhülsen,Visitenkarten und ein automatisches Gewehr finden sich in seinem Hotelzimmer. Alles zusammen ergibt die Geschichte eines fast schon surrealistisch wirkenden Amoklaufs.

«Monday» - der Beginn einer neuen Woche, markiert in dieser schwarzen Komödie das vorläufige Ende einer alkoholgeschwängerten Blutspur. Mit einem spiessigen Angestellten, der an einem Wochenende zur Killermaschine mutiert ist, erzählt Sabu eine wunderbar satirische Parabel auf die rigide und streng hierarchische japanische Angestelltenkultur.
Ein Film, der zeigt, was geschieht, wenn die unterdrückten Triebe und Aggressionen an die Oberfläche dringen, er zeigt die Gewalt als Traum und Wunschphantasie der Krawattenträger und den Amoklauf als ideale Wochenendbeschäftigung des japanischen Spiessers.

Michael Brashinski, FIPRESCI 2000

Vieles deutet bei «Monday» darauf hin, dass er ein Gewinner ist. Er kam mit einer Welle neuer japanischer Film-Aggression und enthüllte ein aufregendes, starkes und vielversprechendes Talent: Sabu, momentan auf dem besten Wege, Japans nächster Kult-Regisseur zu werden. Es ist nicht wirklich ein junges Werk (genausowenig ist Sabu ein junger Filmemacher - «Monday» ist sein vierter Film), aber er hat die richtigen Anteile intellektueller und formaler Fähigkeiten, jugendlicher Respektlosigkeit und Offenheit für alternative Lösungen. Die Dunkelheit und Hipness und der minimalistische Einsatz von Dialogen machen den Film zu einem progressiven Werk. (...)

Ohne Zweifel ist der Film frisch und passt zur gleichen Zeit in die Reihe der japanischen Nachkriegs-Regisseure (Ozu – Kurosawa - Oshima - Kitano). Wie seine Vorgänger hat Sabu eine eigene Sorte von „Coolness“ kreiiert, irgendwo an dem Grenzübergang zwischen dem Osten und dem Westen. Auf jeden Fall ist er ein ausgereiftes und vielversprechendes Talent, dass man im Auge behalten sollte. Was kann ein FIPRESCI-Preisrichter mehr verlangen (...)?

Derek Elley, "Variety", 13. März 2000

Vom jungen, japanischen Kult-Regisseur Sabu, beinhaltet «Monday» alle Markenzeichen einer düsteren, bissigen Komödie mit Action-, Drama-, Pathos- und Horrorelementen. Der Film vermittelt dem Publikum ein starkes Verantwortungsgefühl, Ehrlichkeit und den Umgang mit Waffen... zudem ist er auch sehr komisch... wenn er eine ernste Situation nach und nach mit Absurditäten dekonstruiert, die von den Marx Brothers hätten stammen können. (...) SABUs vierter und bester Film.

Detlef Kuhlbrodt, "tageszeitung", 17. Februar 2000

Betörend schöne Frauen in glitzernden Yakuza-Bars, Gangsterbosse, auf deren Visitenkarten "Gang Boss" steht, Schnaps, den er unaufhörlich in sich hineinschüttet, ein Gewehr, mit dem er als durchgedreht lächelnder Rächer durch die Straßen zieht. Leichen säumen seinen Weg.
(...) Dann träumte ich von Ulrich Gregor, wie er bei einem Gespräch auf der Delphi-Bühne ein spiegelblankes Gewehr aus seiner Aktentasche nimmt, es langsam zusammensetzt und dabei immer so komisch gewinnend lächelt ...

Harlan Kennedy, FilmComment

Im Forum war «Monday» der Liebling des Publikums (...). Gefällt einem die Vorstellung, dass Sergio Leone die Neuverfilmung von Hitchcocks «Der unsichtbare Dritte» übernimmt, dann ist das der richtige Film.

Bettina Thienhaus, epd Film, April 2000

Sabu inszeniert die grausam logische Verwandlung des stillen, unterdrückten, verlachten, missachteten Normalbürgers Takagi mit einem wunderbaren Gespür für Timing, Raumchoreographie und absurde Situationskomik, und er lässt dabei bissige Kritik an der japanischen Gesellschaft mit ihren Unterwerfungs- und Höflichkeitsritualen durchscheinen.

SIDE B