Rezensionen / Presse zu «Globi und der Schattenräuber»




Gerda Wurzenberger, NZZ, 3. Oktober 2003

Fantasy, «anime», Virtual Reality - und mittendrin Globi
Viele Köche und Köchinnen waren an diesem Globi-Film beteiligt, dem allerersten im mehr als 70-jährigen Leben der als Werbefigur für das Warenhaus Globus erfundenen Schweizer Comicfigur, der nun als deutsch-luxemburgisch-schweizerisch-japanische Koproduktion in die Kinos kommt. Wahrscheinlich zu viele, was nicht weiter verwunderlich ist: Schliesslich soll dieser Trickfilm ja globihaft die Welt erobern - obwohl der Buch-Globi international bisher höchstens Kopfschütteln erntete. In der Tat ist die hiesige Globi-Begeisterung für jemanden, der nicht mit diesem seltsamen Vogel aufgewachsen ist, nur sehr schwer nachzuvollziehen. Weshalb jetzt im Film, der sich an die heutigen Kindern in Ost und West vertraute Ästhetik des «anime» (des japanischen Trickfilms) anlehnt, Globi plötzlich ganz anders sein soll.

So einfach ist das natürlich nicht. Denn Globi ist nun einmal Globi und sieht auch so aus. Und das passt nicht wirklich in aktuelle Fantasy-Welten. Und so wirkt Globi in «Globi und der Schattenräuber» (Regie: Robi Engler) denn mehr wie ein altmodischer Daniel Düsentrieb, den es in eine virtuelle Zukunft verschlagen hat. Oder eben in die eigentliche Story des Films, die von einem talentierten Musiker handelt, der für die perfekte Musik seine Seele an eine böse Macht verkauft, fortan im Innern der Erde wirkt und als «Maestro» (Mephisto?) anderen Musikgenies ihren Schatten - den Sitz von Seele und Talent - raubt.

Globi trifft diesen Musiker zunächst an einer in imperialem (fast schon faschistisch anmutendem) Dekor stattfindenden Militärparade, welche offensichtlich und irritierenderweise für die richtige, schützenswerte Ordnung steht (was aber in der Folge nicht weiter thematisiert wird). An dieser Parade tritt mit einer quirligen, an «Tom und Jerry» erinnernden Journalisten-Ratte neben Globi und seinem durchaus spassigen Roboter-Ei Squidney eine weitere Phantasiefigur ins sonst sehr menschliche Umfeld - ganz offenkundig, um der Handlung ein bisschen mehr Witz und Tempo zu geben. Schliesslich muss ja mit der Geschichte der beiden Jugendlichen Benji und Lucinda, die eine Band gründen wollen, auch noch echte Sozialromantik integriert werden. Als Benjis Schatten geraubt wird, schaltet sich endlich Detektiv Globi ein, um die vielen losen Stränge halbwegs zusammenzuführen.

In «Globi und der Schattenräuber» herrscht also ein ziemliches Gewirr verschiedenster Storys und Ästhetiken, das nur allzu durchschaubar auf möglichst viele Vorlieben möglichst vieler Kinder abzielt. Für Globi-Fans mag es trotz allem funktionieren - schliesslich sind sie von den vielen Buchabenteuern einiges gewohnt. Dass mit diesem Film jedoch neue «Globianer» in der weiten Welt gewonnen werden können, muss stark bezweifelt werden. Mehr (echt schweizerischer) Globi wäre da wohl besser gewesen. Das lässt jedenfalls die schweizerdeutsche Fassung mit der Stimme von Walter Andreas Müller als Globi und jener von Lunik-Sängerin Jaël als Lucinda (von Lunik stammt auch ein Teil des Soundtracks) schwer vermuten.

Adrian Zurbriggen, "Berner Zeitung", 2. Oktober 2003

Von grossen Kellen und globalen Ellen
Mit dem ersten Globi-Film soll der urschweizerische Schnabelheld nach über 70 Jahren rein innerhelvetischem Erfolg den Sprung ins Ausland schaffen. Dafür wurde Globi entschweizert und entglobifiziert.

Es mutet surreal an: Nicht weniger als fünf «Producers», je vier «Co-Producers», «Executive Producers» und «Co-Operation»-Partner sowie Firmen aus Tokyo, Hamburg, Leipzig und Luxemburg lassen im Vorspann mehr als bloss einen Hauch Internationalität aufkommen. Und dann schallt einem plötzlich das urige Baslerdeutsch der erzählenden Radio-DRS-Legende Christoph Schwegler und das fröhliche Züri-Geschnatter von Walter Andreas Müller entgegen, der einen gelbnasigen Vogelmenschen «Himmelgrüeneglögglischnabel!» quäken lässt.

«Pokémon»-Stil adaptiert
Ja, das ist «Globi», der erste Kinofilm über den urschweizerischen Schnabelhelden. Und ja, der Vorspann täuscht nicht, dem Film soll gelingen, was 71 Globi-Bücher in über siebzig Jahren nicht geschafft haben: den helvetischen Nationalvogel im Ausland populär zu machen.
Zu diesem Zweck wurde Globi systematisch «entschweizert»: Die Geschichte vom gescheiterten Trommler, der vom Bösen geritten den besten Musikern des Planeten die Schatten stiehlt, diese zum weltbeherrschenden Orchester zusammenführt und von Globi schliesslich zur Räson gebracht wird, entstammt deutschen Köpfen. Von einem englischen Scriptspezialisten wurde sie zu einem global verständlichen, weil übersetzbaren Drehbuch verarbeitet.
Schauplatz ist eine nicht lokalisierbare Grossstadt, die sonst bei Globi beständig auftauchenden Insignien schweizerischen Alltags - von der SBB bis zur Rega - fehlen ebenso wie die staatstragenden Schlaumeiereien des Protagonisten und das anachronistische vierzeilige Versschema der Texte. Globi spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
Für die Animation wurden Spezialisten aus Tokyo angeheuert, die den Film im von den Manga-Comics abgeleiteten japanischen Animé-Stil à la «Pokémon» designt haben. Einzig Globi, dieser Proto-Schweizer, blieb von der Japanisierung ausgeklammert - da hätten sich die Filmemacher hier zu Lande auch bös die Finger verbrennen können. Dies aber hat zur Folge, dass der Globi im Manga-Land oft ausschaut, als wäre er im falschen Film gelandet. Bezeichnenderweise fällt es kaum auf, dass Globi mit der Exposition der Geschichte nichts zu tun hat und darum kurz nach Beginn für rund eine Viertelstunde von der Bildfläche verschwindet.

«Matrix» lässt grüssen
Anleihen wurden nicht bloss bei den Animés gemacht: Die Eröffnungsszene, in der Globi durch ein Virtual-Reality-Game schwebt, ist ein einziges «Matrix»-Zitat, die Idee mit den entwendeten Schatten trägt Fantasyzüge. Und die Sachlage, dass sowohl Held als auch Bösewicht je einen kleinen Helfer haben, die für die Lacher sorgen, kennt man aus Disney-Trickfilmen.
International ist die Finanzierung dieses «ersten abendfüllenden Schweizer Trickfilms»: Die 7,5 Millionen Franken teure Produktion wurde bloss zu einem knappen Drittel - 2,2 Millionen - mit Geld aus der Schweiz realisiert. Neben der Zürcher Fama Film[50], die den Streifen als Verleiher zudem in unsere Kinos bringt, und der Impuls Home Entertainment aus Cham haben sich das Bundesamt für Kultur mit 500 000 Franken und SF DRS beteiligt. Die restlichen Mittel stammen von Produktionsfirmen aus Deutschland und Luxemburg, welche hochdeutsche und englische Synchronfassungen auf den Markt bringen wollen.
Wer mit der internationalen Kelle anrichtet, muss sich auch an internationalen Ellen messen lassen. Und da kann «Globi» nicht bestehen: Verglichen etwa mit dem letztjährigen Kult-Animé «Spirited Away» oder dem aus demselben Jahr stammenden Disney-Fliessbandzeichentrick «Lilo & Stich» wirkt die Animation flach und leblos, die Hintergründe starr und schematisch.

Auch «Faust» steckt drin
Mit Sicherheit egal ist dem internationalen Kinogänger die Tatsache, dass das für Schweizer Verhältnisse hohe Budget sich im internationalen Vergleich bescheiden ausnimmt: «Spirited Away» kostete umgerechnet 23 Millionen Franken, für «Lilo & Stich» wurden gar über 100 Millionen Franken investiert.
Gröbster konzeptioneller Patzer indes ist das Versäumnis, dass «Globi» nicht konsequent für eine Zielgruppe massgeschneidert wurde - ein in Hollywood gängiges Vorgehen, das in der Schweiz bei der RS-Komödie «Achtung, fertig, Charlie!» jüngst erstmals mit durchschlagendem Erfolg angewendet wurde. Als Familienfilm à la Disney taugt «Globi» nicht, weil sich Erwachsene ob der simplen Story, der dünnen Animation und der dick aufgetragenen Willensstärke-besiegt-das-Böse-Moral an den Kopf greifen.
Kleinkinder, immerhin das Zielpublikum der Bücher, wiederum verstehen die faustische Vereinnahmung des gar nicht so unsympathischen Trommlers durch das Böse nicht und sind von der düsteren Szenerie überfordert - für sie ist dieser Globi schlicht zu «unglobig». Bleiben noch die Teenies, welche den «Pokémon»-Filmen zum Erfolg verhalfen: Trotz des gefälligen poppigen Soundtracks der Berner Band Lunik scheint es wahrscheinlich, dass sie «Globi» nasenrümpfend als uncooles «Kinderzeugs» ablehnen. Da ist Globi endgültig im falschen Film.

Jürg Wiler, "TagesAnzeiger", 3. Oktober 2003

Film ab für den Vogel mit Béret

Gestern ist im Kanton Zürich der Globi-Kinofilm angelaufen. Ein Augenschein in Zürich.
Die Sonne schien, und das Zürichseewasser glitzerte, als die vier Zweitklässler am frühen Nachmittag ins Kino Bellevue hüpften. Séan aus Girenbad bei Hinwil feierte seinen achten Geburtstag zusammen mit seiner Mutter Jacqueline Imhof Christie und seinen Gschpänli Joshua, Lars und Ivan an der Premiere des Zeichentrickfilms «Globi». Draussen war die Stimmung märchenhaft, drinnen jedoch wirkte die Handlung der schweizerisch-deutsch-luxemburgischen Koproduktion düster: Ein teuflischer Maestro stiehlt begabten Musikern in aller Welt ihren Schatten und damit ihr Talent. Der Vogel mit den Karohosen aber rückt die zukünftig wirkende Gegenwart mit Hilfe seines Robotereis Squidney wieder ins Lot.

Von «spannend» bis «mager»
Lange sassen die vier Zweitklässler mucksmäuschenstill. Erst nach und nach unterbrachen ihre Lacher den Zürcher Dialekt von Walter Andreas Müller. Zum Beispiel, als er zum ersten Mal «Himmelgrüeneglögglischnabel» zum Besten gab. Kurz vor Schluss hielt die Jungs jedoch nichts mehr in den weichen Sitzen. Sie sprangen auf und tanzten durch die lichten Reihen im Kinosaal. «Guuut» sei der Film gewesen, krächzte es unisono aus ihren Mündern, die zur Hälfte mit Popcorn gefüllt waren. Noch mehr als der Film interessierte allerdings das Geburtstagsglace. Weniger begeistert zeigte sich Séans Mutter: «Die Handlung ist äusserst mager. Aber ich habs überlebt.» Hätte der Streifen allerdings länger gedauert als die 72 Minuten, fand sie, «wäre es den Kindern bestimmt langweilig geworden». Dana aus dem glarnerischen Rufi bei Schänis war mit ihrer Grossmutter gekommen. «Spannend», fand die 11-Jährige mit glänzenden Augen. Am besten gefiel ihr, wie Globi die verzwickte Geschichte doch noch zum Guten wendete. Nur: Die Musik sei eindeutig zu laut. Ihr Grosi Zusi Keller aus Zürich meinte trocken: «Na ja, Globi ist halt modern geworden. Und kindlich.» Auch sei der Film zu schnell, es bleibe keine Zeit, sich einen Gedanken zur Botschaft des Films zu machen. Eine Besucherin Mitte fünfzig aus Bülach: «Die Geschichte ist flau, die Gags fand ich witzig.»

SIDE B